Kemwer

„Ich weiss, dass Monster unter dem Bett sind, ich habe sie gerufen“

Mein Name ist Kemwer und ich bin ein Bastard. Es mag seltsam erscheinen, wenn ich mich so vorstelle, aber zurückblickend war es dieser Punkt, der meine Kindheit definierte. Meine Mutter war eine naive junge Frau, welche auf die Schmeicheleien eines vergnügungssuchenden Spitzohres hereinfiel. Natürlich war er nach der Nacht, in der sie sich ihm hingab, verschwunden und mit ihm all die Träume, welche er ihr eingeflüsterte. Nichts mit einem Leben weit fort von dem gottverlassenen Ort, den sie Heimat nannte, keine seidenen Kleider und Schätze. Zurück ließ er nur eine verlorene Jungfräulichkeit und eine desillusionierte, nun schwangere Frau. Nein, ich will nicht schlecht von meiner Mutter reden. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten tat sie das Beste, um mich aufzuziehen. Doch ihre Möglichkeiten waren beschränkt, niemand wollte eine Frau mit einem Elfenbastard in seinem Haushalt. Noch nicht einmal als Magd. So war sie gezwungen, unser Leben auf andere Arten zu bestreiten. Manchmal mit Tagelohn, manchmal mit kleinen Diebstählen oder indem sie das Einzige verkaufte, was ihr noch blieb, sich selbst.

Meine Kindheit war von Einsamkeit geprägt. Als Bastard war ich bei den anderen Kindern verlacht und ich war weder groß noch stark genug, um mich anderweitig durchzusetzen. Intelligenz und ein gewinnendes Lächeln mögen dich zwar bei vielen Menschen weiterbringen aber bei Kindern mit der Intelligenz von Hausschweinen ist beides verschenkt. Ich gewöhnte mir an, immer erst um Ecken zu schauen, bevor ich einen Weg überquerte und häufig verbrachte ich lange Stunden in finsteren Ecken und auf Misthaufen, bis sich die Kinder des Dorfes davon begeben hatten.

Und dann kam KawerTimmy.

Viele Kinder haben einen unsichtbaren Freund. Für mich war er häufig die einzige Gesellschaft und so begann ich mehr und mehr Zeit mit ihm zu verbringen. Erst glaubte ich in skeptischeren Momenten, dass ich Selbstgespräche führe und war schon kurz davor, mich wieder abzuwenden, aber dann blieb ich doch dabei, denn auch ein unsichtbarer Freund ist besser als gar keiner. Irgendwann bemerkte ich, dass in den Gesprächen ein zweiter Wille vorhanden zu sein schien. Zuerst nur schwach, unfertig und nur in stark emotionalen Momenten, aber ich spührte, wie er mit der Zeit stärker wurde, ein Selbst entwickelte. Meine Mutter betrachtete das Ganze misstrauisch, aber da sie nicht wusste, was sie tun sollte, ließ sie mich gewähren. Eines Tages fragte ich meinen Freund, welchen Namen er hätte. Ich glaube, das war der Moment, in dem er entgültig ein Bewusstsein erlangte. Er wählte den Namen KawerTimmy, denn dieser Name sei mit meinem verbunden, so wie wir verbunden seien.

Der nächste denkwürdige Tag kam, als ich unachtsam in die Fänge des örtlichen Oberraufbolds und seiner Speichellecker geriet. In eine Diskussion mit KawerTimmy vertieft vergaß ich meine übliche Vorsicht und musste das mit Tritten und Schlägen bezahlen. Kinder sind grausam und wie eine Schaar tollwütiger Goblins fielen sie über mich her. Panisch rief ich um Hilfe, doch von den Erwachsenen im Dorf würde keiner auch nur einen Fuß vor die Tür setzen, um mir zu helfen. Ich rollte mich zusammen und versuchte die Schläge über mich ergehen zu lassen, doch plötzlich ließen sie ab von mir und rannten schreiend davon. Ich öffnete die Augen und sah Kawer Timmy zum ersten mal in einer halbdurchsichtigen materialisierten Form. An seinen Klauen schimmerte Blut und sein Blick war hasserfüllt auf die rennenden Kinder gerichtet. Ich glaube nicht, dass er eines wirklich schwer verletzt hat, denn ich sah keines humpeln oder stürzen, aber ich wusste, dass meine Tage hier gezählt waren. Wenn die Kinder ihren Eltern von der Erscheinung berichteten, würden sie mich und meine Mutter als Hexen verjagen, wenn nicht Schlimmeres. Ich verließ das Dorf und meine Mutter, möge sie ohne mich ein glücklicheres Leben führen und zog davon.

Eine Zeit lang lebte ich in den Wäldern. KawerTimmy jagte für mich und ich lernte langsam die Magie in mir kennen. Später zog ich in die Städte und lernte, dass durchaus ein Bedarf für Menschen besteht, welche ungefährlich und symphatisch wirken, denen man vertrauen möchte und welche dennoch die Fähigkeit haben, jemandem das Herz aus der Brust zu reißen. Ich war vieles: Geldeintreiber, Kopfgeldjäger, Türsteher und sogar für eine Zeit lang als Aufpasser in einem Bordell tätig.

Das Leben ist interessanter geworden, seit ich das Dorf vor vielen Jahren verlassen habe und KawerTimmy begleitet mich immernoch jeden Tag meines Lebens.